„Der Wille Gottes ist Liebe. Uns umtobt der Haß, aber die Liebe ist doch das Größte unserer Zeit. O herrliche Glut der Liebe. Seid uns gegrüßt und gesegnet ihr alle, die ihr so freudig hinausgezogen seid und das Leben gebt in der großen Treue bis an den Tod, und das Vaterland rettet, — das lohn euch Gott in alle Ewigkeit. Wer doch wie ihr das Leben opfern könnte in den Friedenswerken der Liebe, in dem vollen Leben für andere, für das Vaterland! Was wir ersehnen und doch nur so unvollkommen vollbringen, Jesus hat’s getan. Dieses Leben, das am Kreuz vollendet ist, ist nur Liebe gewesen, nur Geben, nur Dienen, nur Opfern, mit jeder Tat und mit allem Dulden, mit jedem Wort und jedem Gedanken. Und jetzt, da die kalten Wasser das Feuer seiner Liebe auslöschen wollen, jetzt flammt sie in göttlicher Gewalt auf gegenüber allem Undank, aller Untreue, allem Spott, allen Mißhandlungen, allem Haß. In seinem Herzen die Angst für seine Mörder: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Das ist das Wunder der Liebe in der Welt der Selbstsucht, des Hasses, des Raubens und Mordens, das ist der Sieg. Er hat’s vollbracht. (…)
Jesu Todesstunde erinnert an unsere Todesstunde. Wann hätte sie es ernster und dringender getan als in diesem Jahre. Herrlich ist es, wenn in der letzten Stunde der Blick auf den Sieg, der Gedanke an Kaiser und Vaterland die Seele aus dem Tod ins Leben hebt, selig, wenn sich der letzte Blick auf den Gekreuzigten von Golgatha richtet, und es wie bei dem sterbenden Sohne Gottes heißt: Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist.“
Aus der Kriegspredigt von Pfarrer Friedrich Lahusen, gehalten am Karfreitag 1915 in der Dreichfaltigkeitskirche zu Berlin.
Fräulein
Lina Neefischer
Gutsbesitzerstochter
Oberfelden P. Colmberg
Bahnst Lehrberg
Mittelfranken
27. III. 1915
Werte Lina.
Fröhliche Ostergrüße aus fernem Feindesland sendet Georg Probst.
Habe Karte erhalten, besten Dank. Viele Grüße an d. Eltern u. Schwester.
Die obligatorische Grußkarte zu den Osterfeiertagen fällt im Jahre 1915 denkbar knapp aus, doch betont Georg Probst, dass er dieses Fest nicht in seiner Heimat verbringt. Wahrscheinlich ist es das erste Mal überhaupt, dass er an Ostern nicht in Binzwangen ist und dort den Gottesdienst besucht.
Trotz der Kürze eignet sich die Karte aus dem März 1915 besonders gut, um zu beschrieben, an welchem Ort im „Feindesland“ der Verfasser im Kriegseinsatz war und von wo aus er die Feldpostkarten nach Oberfelden schickte. Nachdem er während des Winters östlich von Wijtschate in der Nähe von Oosttaverne im Feld gelegen war oder in Comines Quartier bezogen hatte, wurde das 11. Feldartillerie-Regiment Anfang März in den Süden verlegt. Es befand sich nun östlich von Messines. Während alle anderen Batterien laut Karte nach Westen ausgerichtet waren, zielte die 3. Batterie von Georg Probst nach Süden in Richtung des Ploegsteerter Waldes, einer Anfang 1915 stark umkämpften Gegend.
Da anders als während der ersten Kriegsmonate, in denen jede Karte mit einer Ortsangabe versehen war, im Verlauf des Jahres 1915 diese Informationen auf den Postkarten vollständig verschwinden und bis zum Kriegsende auch nicht mehr erscheinen, sind die militärischen Stellungen der einzige Hinweis auf den Ursprung der Feldpost. So können Karten ohne genauere Angaben bis Ende Oktober mit einiger Wahrscheinlichkeit in die Gegend zwischen Messines und Gapaard verortet werden.
Stellungen der Batterien des 11. Feldartiellerie-Regiments südlich von Ypern (nach von Waldenfels 1931*). Georg Probst gehörte zur III. Batterie.
Diese genaue Verortung der III. Batterie erlauben die Ausführungen von Waldenfels‘ (1931, S. 82):
„Eine neue Verschiebung nach Süden ergab sich durch das Herausziehen der 6. b. Res. Div. am 4. März 1915 und die dadurch notwendig werdende Verbreiterung des Divisions-Abschnittes. […]
Es wurden von den Batterien des Regiments folgende Stellungen bezogen: 1. Battr. westl Gapaard, diese Batterie hatte außerdem die beiden belgischen Geschütze im Abschnitt des Res. Inf. Regts. 5 nahe der Hospitzmühle zu besetzen. 2. Battr. in Gapaard. 3. Battr. am Blauwen Molen Hügel, dazu kam noch die Besetzung des belgischen Geschützes bei Spanbroek Molen und des Ruisseau Ferme Zuges im Douve-Grund. 4. Battr. etwa 900 m östl. Ferme Verrat. 5. Battr. in Gapaard. 6. Battr. etwa 300 m südw. Ferme Deconick.“
Natürlich wurde in diesem Krieg keine Rücksicht auf sakrale Gebäude genommen, auch nicht an hohen Feiertagen wie Ostern. Davon gibt der nächste Absatz Zeugnis:
„Besonderer Wert war in dem unübersichtlichen Gelände auf die Auswahl der Beobachtungsstellen zu legen. 1., 5. und 6. Battr. richteten diese auf dem „Pilz“, einem Turm der südl. Häuserfront des Klosters Messines ein, 2. Battr. in einem Haus an der Straße Messines-Wytschaete (Heughebaert Fe.). Die Beobachter der 3. Battr. zogen in die sogen. „Villa Brenzlich“ am Straßenkreuz 200 m südwestl. des Blauwen Molen Hügels, da von hier aus günstige Beobachtungsmöglichkeit gegen den Ploegsteert Wald war. Die Beobachtung der 4. Battr. ging in das „Weiße Haus“ am Westrand von Messines, ein vorgeschobener Beobachter nach Moulin de l’Hospice, später „Haubitzmühle“ genannt. Alle Batterien erhielten nun meist bestimmte Namen nach ihrem Aufstellungsplatze, die sich rasch einbürgerten. Mit Ausnahme geringfügiger Veränderungen blieben die Batterien in diesen Stellungen bis zur Ablösung der Division im Oktober 1915.“
Von der Situation im Kloster von Messines im Januar 1915 erzählt uns der Arzt Dr. Georg Cohn in seinem lesenswerten Tagebuch**:
„Die Artillerie feuert Tag für Tag. Das Kloster bleibt hartnäckiges Zielobjekt. Man kann bald gar nicht mehr frische Luft schöpfen. Es ist schon eine Heldentat, im Kloster spazieren zu gehen. Man trifft keine Seele am Tag zwischen den Trümmern. Und nachts kann man sich in den Löchern, zwischen den Drähten, Balken und Steinen mühelos Hals und Bein brechen. Das ist aber keine passende Form für den Heldentod.“
Schließlich geben Bilder des unversehrten Klosters und Aufnahmen des bayerischen Architekten Joseph Elsner junior*** aus dem März und April 1915 einen Eindruck von der Zerstörungskraft der Artillerie an der Westfront (zum vergrößern klicken):
Weitere Informationen
* Otto von Waldenfels: Das K. B. 11. Feldartillerie-Regiment. (= Erinnerungsblätter deutscher Regimenter. Bayerische Armee. Bd. 72). Schick. München 1931.
** Georg S. Cohn: Müßig zu fragen, worum der Krieg geht. Das Kriegstagebuch 1914-1918 des Dr. Georg Sally Cohn. (Herausgegeben von Günter Jul Müller). Europeana. München 2001. [Download]
Georg Sally Cohn
Georg Sally Cohn
*** Von Melsner.de. Informationen zu Joseph Elsner junior gibt es bei Wikipedia.