02. Februar 1915: Ziemlich kalt

Bekanntmachung

1. Die Gewässer rings Großbritanniens und Irlands einschließlich des gesamten englischen Kanals werden hiermit als Kriegsgebiet erklärt. Vom 18. Februar 1915 an wird jedes in diesem Kriegsgebiet angetroffene feindliche Kauffahrteischiff zerstört werden, ohne daß es immer möglich sein wird, die dabei der Besatzung und den Passagieren drohenden Gefahren abzuwenden.

2. Auch neutrale Schiffe laufen in dem Kriegsgebiet Gefahr, da es angesichts des von der britischen Regierung am 31. Januar angeordneten Mißbrauchs neutraler Flaggen und der Zufälligkeiten des Seekrieges nicht immer vermieden werden kann, daß die auf feindliche Schiffe berechneten Angriffe auch neutrale Schiffe treffen.

3. Die Schiffahrt nördlich um die Shetlands-Inseln, in dem östlichen Gebiet der Nordsee, in einem Streifen von mindestens 30 Seemeilen Breite entlang der niederländischen Küste ist nicht gefährdet.

Berlin, 4. Februar 1915.

Der Chef des Admiralstabs
gez. v. Pohl


Fräulein
Lina Neefischer
Gutsbesitzertochter Oberfelden
Post Colmberg Bahnst. Lehrberg
Mittelfranken

Komines, den 2. Februar 1915
Werte Lina.
Habe heute deinen werten Brief dankend erhalten. Ich bin noch immer gesund, was ich auch von Dir und l. Eltern und deiner Schwester noch hoffe. Wie ich aus deinem neusten Brief sehe, müssen wieder viele einrücken. Bei uns ist es zieml. kalt und schneit auch mal. Sei herzlich gegrüßt sowie deine lieben Eltern u. Schwester von deinem G. Probst.


Abermals aus Comines schreibt Georg Probst während des Winters im Februar 1915 nach Oberfelden. Während an der Front zu diesem Zeitpunkt keine größeren Gefechte geschlagen werden, bekommt die Bevölkerung zuhause die großen Verlusten der ersten Kriegsmonate auf verhängnisvolle Art und Weise zu spüren. So berichtet Lina offenbar in einem Brief, dass immer mehr Männer zum Kriegseinsatz eingezogen werden.


25. Januar 1915: Dass Dein Wunsch recht bald in Erfüllung geht

„Die in ihren Anfängen viel geschmähte Feldpost leistet täglich Wunderdinge; am 16. Januar 1915, an welchem Tage eine Zählung vorgenommen wurde, sind aus dem Deutschen Reich 7 989 940 Feldpostsendungen nach dem Felde abgegangen, nämlich 4 304 770 portofreie, also meist bis 50 Gramm schwere Briefe und Postkarten, und 3 685 170 schwerere frankierte Feldpostbriefe und Feldpostpäckchen.“

Arnold Steinmann-Bucher, Deutschlands Volksvermögen im Krieg (1916).


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Fräulein
Lina Neefischer
Gutsbesitzerstochter
Oberfelden Post Colmberg
Bahnst. Lehrberg Mittelfrnk.

Komines, 25.1.1915
Werte Lina!
Habe deine neuste Karte u. Brief erhalten. Ich mache dafür meinen besten Dank u. wünsche, daß dein Wunsch recht bald in Erfüllung geht, worauf ich mich selbst sehne. Sonst geht es mir noch gut, was bei dir u. deinen l. Eltern auch noch der Fall ist wie ich sehe. Anbei übersende ich dir eine Ansicht von meinem Winteraufenthalt. Brief folgt. Sei recht herzlich gegrüßt sowie d. l. Eltern von deinem unvergesslichen G. Probst.


Anfang 1915 befindet sich die Division von Georg Probst weiter im Stellungskrieg südlich von Ypern: „Die Gefechtstätigkeit war in den ersten Wochen des neuen Jahres meist gering. Schnee, Regen und vor allem der dichte Nebel verhinderten Freund und Feind, sich lebhafter zu bekämpfen. (…) Lästig wurden vor allem die sich mehr und mehr verstärkenden feindlichen Flieger, die besonders in den Nachmittagsstunden bei guter Sicht ganze Batterien lahmlegten. Zur Fliegerabwehr behelfsmäßig auf Pivots montierte Feldgeschütze waren viel zu unbeweglich, als daß sich irgendwelche namhafte Erfolge hätten erzielen lassen.“*

Offenbar befand sich Georg Probst jedoch nicht die ganze Zeit über an den Artilleriestellungen, denn diese Postkarte stammt wie jene vom 20. Dezember des Vorjahres aus der hinter der Front gelegenen Stadt Comines, seinem „Winteraufenthalt“. Der Wunsch von Lina Neefischer ist leider nicht überliefert, angesichts des länger als erwartet dauernden Krieges, der sich nun auch im neuen Jahr weiter fortsetzt, handelt es sich dabei möglicherweise um den Wunsch nach baldigem Frieden und Rückkehr der Soldaten.

Sämtliche Briefe, die sich Georg und Lina offenbar parallel zu den Postkarten geschrieben zu haben scheinen, sind leider nicht mehr vorhanden. Weniger im Platz beschränkt als auf einer Karte und mit der vermeintlich größeren Privatsphäre eines verschlossenen Umschlags enthielten diese Briefe vermutlich detailliertere Berichte über die Kriegserlebnisse oder die Geschehnisse in der Heimat.



Weitere Informationen

* aus: Otto von Waldenfels: Das K. B. 11. Feldartillerie-Regiment. (= Erinnerungsblätter deutscher Regimenter. Bayerische Armee. Bd. 72). Schick. München 1931.

27. Dezember 1914: Brief und _____ erhalten

„Die Haltung der Truppen im Felde wird auf das stärkste beeinflußt durch die geistige Verbindung mit der Heimat. Es gibt nicht viele Einwirkungen, die so wohltätig über Gefahren und Mühsale hinweghelfen, die so kräftig die gesunkene Spannkraft zu heben vermögen, als ersehnte Nachrichten von daheim. Die erhöhte Stimmung, die der wechselseitige Verkehr mit der Heimat erzeugt, kommt der Schlagkraft des Heeres zugute.“

Oberste Heeresleitung


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Fräulein
Lina Neefischer
Gutsbesitzerstochter
Oberfelden
Post Colmberg b. Lehrberg
Mittelfranken

Ostwarne, 27.12.1914
Habe heute Brief u. …… erhalten was mich sehr gefreut hat. Ich mache meinen besten Dank dafür. Ich bin noch gesund u. munter was ich von dir u. d. Angehörigen auch hoffe. Bei uns hat es die Weihnachten über stark gefroren. Sei tausendmal gegrüßt sowie d. Eltern u. Schwester von d. unvergesslichen G. Probst


Besonders zwei Postkarten, die um den Jahreswechsel 1914/1915 herum von Georg Probst an Lina Neefischer geschrieben wurden, regen die Fantasie an. Im vorliegenden Fall bedankt sich der Soldat für einen erhaltenen Brief, zugleich jedoch für etwas, das er nicht ausschreibt, sondern nur mit Punkten andeutet. Vermutlich handelt es sich um einen Teil des Briefinhalts. Es kann nur spekuliert werden worum es sich dabei handelt: Um etwas, das Soldaten eigentlich verboten war? Oder um etwas so persönliches, dass niemand – Kamerad, Postbote oder Familienmitglied – davon wissen sollte?

Bei Ostawerne handelt es sich um den kleinen Ort Oosttaverne südlich von Ypern und unmittelbar westlich von Wijtschate ganz in der Nähe des Frontverlaufs (Ganz herzlicher Dank für diese Erkenntnis an Juliane Weiß!). Obwohl dieser Ort schon 1914 Schauplatz von Kriegshandlungen war, ist die Oosttaverne-Stellung vor allem im Rahmen der Schlacht von Messines im Jahr 1917 von Bedeutung.

imageDer Frontverlauf bei Ypern während des Winters 1914/1915.*



Weitere Informationen

* Grafik aus: Michelin illustrated Guides to the Battlefields (1914-1918): Ypres and the Battles of Ypres (1919). (Englisch)