13. Oktober 1914. Morgens Fahrt nach Lille. Zwischen Douai und Lille Scharen aus Lille fliehender Einwohner. Vielleicht erwarten sie ein zweites Bombardement der Stadt durch Franzosen und Engländer. In Lille große Nervosität der Bevölkerung; kein Wunder, denn ein Teil der Stadt ist bereits abgebrannt oder steht noch in Flammen. Ich sehe wohl Pompiers, aber keine Löscharbeiten, denn eine Granate hat das Wasserwerk zerstört. Zum Glück herrscht Windstille und geht ein leichtes Nebelreißen hernieder. Überall liegen Trümmer auf den Straßen. Helle Flammen schlagen aus den Fensteröffnungen und Dächern einiger Häuser, andere sind schon ausgebrannt. Die Luft ist stellenweise siedheiß, kleine Rauchwolken wälzen sich aus den Nebengassen, und man hört ein ständiges Knistern und Krachen. Mich erfaßt Mitleid mit der hart geprüften Stadt.Aus dem Kriegstagebuch von Kronzprinz Rupprecht von Bayern, Oberfehelshaber der 6. Armee.
Frau
Lina Neefischer
Gutsbesitzertochter
Oberfelden Bahnst.
Lehrberg P. Colmberg
Mittelfranken
BayernLille, 28. 10. 1914Meine liebe L.
Habe deine Karte erhalten, bin noch gesund, was ich auch von Euch allen hoffe. Sind heute hier in der Festung Lille einquartiert wo es hier auch sehr schön ist. Also lebe wohl, aufs Wiedersehen!
Viele Grüße an deine Eltern u. Schwester von deinem unvergesslichen G. P.
Bester Gruß Mich. BreitschwerdtSchreibe bald.
Zur Unterstützung der 4. Armee, die seit Mitte Oktober bereits in der Ersten Flandernschlacht um Ypern kämpfte, wurden Teile der bayerischen Armee von Süden in Richtung Ypern herangeführt.
Die französische Stadt Lille nahe der Grenze zu Belgien kapitulierte am 13. Oktober und diente ab Anfang November der 6. Armee als Hauptquartier. Georg Probst machte hier offenbar Station bevor er weiter nördlich in Westflandern auf einem der grausamsten Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs eingesetzt wurde.
Ein Straßenzug in Lille nach Kämpfen 1914.
„Schon bald entwickelte sich Lille auch zu einem Erholungsort für die deutschen Truppen. Die einfachen Soldaten entspannten sich in den Cafés und Kneipen, wo das Bier in Strömen floss. Im Straßenbahn-Kiosk des Grand-Place wurde eine kleine Trinkhalle eingerichtet. Die Offiziere trafen sich in den beschlagnahmten Café-Restaurants La Paix, Belleville, Royal, Moderne oder l‘Europe. Auf der Rue Nationale trafen sich die Soldaten und flanierten dort gerne. Die von deutschen Zivilisten betriebenen Geschäfte florierten. Vor allem die Bäckereien Yanka, Marquise de Sévigné oder Méert waren immer voll. Eine Militärkantine mit dem Namen Zum Feldgrauen öffnete in der Rue Neuve, eine weitere befand sich in den Räumlichkeiten des Freimaurertempels. Ein „Haus des Soldaten“ wurde im „Cercle militaire“ eingerichtet. Mehrere Kasinos öffneten ihre Pforten: Das Offizier-Kasino auf der Kreuzung Rue Nationle/Rue Pas sowie ein Kasino für Soldaten auf der Rue Neuve. Ein Soldatenkino nahm in der Rue Esquermoise den Betrieb auf.” (wegedererinnerung-nordfrankreich.com)
Weitere Informationen
Erste Flandernschlacht (Wikipedia)
Lille unter deutscher Besatzung