07. Juni 1915: Ich wollt ich könnte auch helfen Heu machen

Zeppelin raid over Outer London.

German airships‘ first visit to London districts. Zeppelins are reported to have been seen near Ramsgate and Brentwood, and in certain outlying districts of London. Many fires are reported, but these cannot be absolutely connected with visits of airships.

The Daily News, London, 1. Juni 1915


041vorder

Fräulein
Lina Neefischer
Gutsbesitzertochter
Oberfelden Mittelfrank.
Post Colmberg Bahnst. Lehrberg

Werte Lina!
Die besten Grüße sendet aus weitem Feindesland E.G.P. Ihr wird [werdet es] wohl zur Zeit recht notwendig haben, ich wollt ich könnte auch helfen Heu machen. Die besten Grüße an deine Eltern und an deine Schwester.


Wer selbst keinen landwirtschaftlichen Hintergrund hat, wird es vielleicht im heißen Sommer des Jahres 2018 mitbekommen haben: Ernteausfälle sind für Landwirte existenzbedrohend. Das gilt heute ebenso wie es im Sommer 1915 galt. Insbesondere das Einbringen des Heus, das auch heute noch ein einem gefährlichen Glücksspiel mit der Natur als mächtigen Gegner (Wetter) gleicht, ist von derart großer Wichtigkeit für den Fortbestand eines bäuerlichen Betriebs über den Winter hinweg, dass es den kompletten Alltag bestimmt.

Erst mit diesem Wissen lässt sich die Bedeutung des ersten Frühsommers im Felde für Georg Probst nachvollziehen. Selbst mit dem möglichen Selbstverständnis, dass der Kriegseinsatz an der Westfront seine Abwesenheit rechtfertigte, muss es ihn betrübt haben, den Daheimgebliebenen die schwere, oft unter Zeitdruck ausgeführte Arbeit hinterlassen zu müssen. Im Leben eines Bauern gibt es 1915 eigentlich keine Entschuldigung für das Fernbleiben von der Heuernte. Dass durch den Kriegseinsatz auch in den nächsten Jahren tausende Arbeitskräfte auf dem Land fehlen werden, ist in diesem ersten Kriegsjuni freilich noch nicht absehbar.